Der Schweizer
Der Schweizer
Wer, Schweizer, wer hat Schweizerblut?
Der, der mit Ernst und frohem Muth
Dem Vaterlande Gutes thut,
In seinem Schoosse friedlich ruht;
Nicht fürchtet seiner Feinde Wut;
In dem fliesst reines Schweizerblut.
Wer Falschheit hasst und arge List,
Und Schlangen gleich flieht jeden Zwist;
Und, was ihm Gott giebt, froh geniesst,
Gern sein gesundes Blut vergiesst,
Wenn sein Tod Andrer Leben ist,
Der ist ein Schweizer und ein Christ!
Wer seiner Väter Tugend ehrt,
Sie ausübt und sie andre lehrt,
Das Gute schützt, dem Bösen wehrt,
Des Schmeichlers Stimme niemals hört,
Und Treu hält, wenn er auch nicht schwört,
Der ist des Helden Namens werth!
Wen Vieler Glück und Sicherheit
Mehr als sein eigen Glück erfreut:
Wen keine schöne That gereut,
Wer frühe den Tyrannen dräut,
Dem Laster gleich die Knechtschaft scheut;
Der, der hat Schweizerredlichkeit!
Wer immer, wo er stehn soll, steht
Sich niemals über Andre bläht,
Den graden Weg in allem geht,
Gold, Wollust, Üppigkeit verschmäht,
Selbst erndtet, was er selber sät;
Ist über Könige erhöht!
O Schweiz, du Heldenvaterland!
Sey niemals deiner Väter Schand,
Und halt das vestgeknüpste Band
Der Einigkeit mit treuer Hand!
Dann ist in dieser Welt kein Land
Dir gleich du Heldenvaterland!
Schweizer Theologe (reformierter Pfarrer) Johann Caspar Lavater (1741-1801)